Ich bin bereits 1983 sehr aktiv gewesen im Kampf gegen die Volkszählung. Ich bin sehr besorgt, wenn viele Daten – vor allem auf Vorrat – gesammelt werden sollen. Ich weiss, wie einfach es ist, diese Daten für andere Zwecke zu nutzen, und bin daher sehr skeptisch und konservativ, wenn es darum geht, noch eine Datensammlung anzuhäufen.
Ende 2010 habe ich auf der 27C3 einen Vortrag über die Zensus 2011 gehört, „Eins, zwei, drei – alle sind dabei„. Dazu wurden die Fragebögen an einer Wand angebracht. Ich war sehr besorgt, als ich die lange Seite mit den Zusatzfragen zur Religion, Hartz IV und Migrationshintergrund las.
Kurz darauf erschien in test 1/2011 ein Artikel über die Volkszählung. Es war für mein Begriff ein sehr verharmlosender Artikel, und ich habe deswegen mein Unmut Luft gemacht an die Redaktion:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in test 1/2011 auf Seite 9 berichten Sie über den Zensus 2011, wie die Volkszählung Neuhochdeutsch umbenannt wurde, um Assoziationen mit der schiefgelaufenen Volkszählung 1983 zu vermeiden.
Sie schreiben sehr unkritisch darüber, was ich nicht richtig gelungen finde für einen Verbraucherschutzverein.
- Die EU-Verordnung ist auf Betreiben von Deutschland durchgesetzt worden!
- Viele Daten sind bereits in Registern vorhanden, aber auf lokaler Basis. Die Regierung wünscht sich ein Bundeszentralregister. Es gibt gute Gründe, so was zu verwehren – die Regierung ist nicht gerade vorbildlich beim Datenschutz, sie hat immer wieder bewiesen, dass sie die Verfassung nicht versteht; Zentralregister erwecken Begierde; und das Meldewesen ist Sache der Kommune, nicht des Bundes.
- Es findet eine Zweckentfremdung von Meldedaten statt, die im Rahmen der Datenzusammenführung für andere Zwecke als eigentlich erhoben, missbraucht werden.
- Das deutsche Zensusgesetz verlangt die Erhebung von mehr Daten, als von der EG-Richtlinie gefordert!
- Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund werden abgefragt – auch der Eltern! Warum werden nachgefragt, welche islamische Strömung man angehört, aber bei den Freikirchen nicht Baptisten oder Methodisten? Was ist da der Unterschied?
- Es wird abgefragt, ob man aktiv Arbeit sucht oder Transferleistungen bezogen hat!
- Es kostet uns 750 Millionen €, die wir sicherlich vernünftiger ausgeben können, z. B. für Bildung.
- Und entgegen Ihren Artikel gibt es doch den Erlaubnis der Datenrückführung an Behörden und Ämter, auch in Einzelfällen.
- Wenn Verpackungen größer als der Inhalt sind, sind Sie gleich drauf, aber wenn die Regierung von „rasch … vernichten“ und dann von „vier Jahre“ spricht, fällt Ihnen dazu nichts ein? Die Zuordnung von Erhebungsdaten zu personenorientierten Ordnungsnummern wird im Volkszählungsurteil von 1983 explizit verurteilt.
Ich fordere eine kritische Betrachtung von so was von ein Verbraucherschutzverein, und nicht der unkritischer Weitergabe
von Regierungsverlautbarungen!Mit freundlichen Grüßen,
Der Brief ist stark verkürzt erschienen:
So weit so schön, wäre nett, wenn der ein oder andere es wenigstens liest.
Schnell bekam ich eine E-Mail von einer Zensusbehörde – ob ich denn überhaupt Belege für meine Behauptungen habe? Ja, die habe ich, habe ich geantwortet, und habe netterweise den Link auf den AK Vorratsdatenspeicherung-Wiki zur Volkszählung geschickt.
Postwendend kam ein E-Mail zurück:
Antw: Re: Anfrage zum Projekt Zensus 2011 (Sie wurden als Erhebungsbeauftragter registriert )
Sehr geehrte Damen und Herren, Vielen Dank, Ihre Bewerbung wurde registriert. Rechtzeitig vor Beginn Ihrer Arbeit als Erhebungsbeauftragter erhalten Sie eine Einladung zur Informationsveranstaltung. Die E-Mail wird automatisch generiert. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag
Also, wir vertrauen unsere Daten eine Behörde an, die es nicht schafft, eine Reply-To so zu setzen, dass der E-Mail Adresse der Personen in der Dienststelle von die automatischer Entgegennahme-E-Mail für Erhebungsbeauftragten unterschieden wird?
Zweifelt noch jemand, dass wir erst mal genaueres wissen müssen darüber, wie unsere Daten gesichert werden sollen?
Ich bat darum, den Briefwechsel hier veröffentlichen zu dürfen, als Replik auf dieser automatischen Antwort. Man bat mich, das nicht zu tun, weil es Ärger geben könnte. Auch wenn ich das verstehen kann, ich finde es schade, dass eine Anfrage von einer öffentliche Dienststelle, die an meiner öffentlicher Adresse gestellt wurde (obwohl ich nicht die Hochschule in mein E-Mail an test angegeben habe, sondern als Privatperson schrieb), nicht publiziert werden darf. Ich finde es noch schlimmer, dass es „Ärger“ gibt und keine Aufklärung darüber, wie man E-Mail richtig dienstlich einsetzt.
Am nächsten Tag hatte ich leider 8 Stunden Unterricht, als ich spät im Büro komme verkündet mein Telefon, dass man oft versucht hat, mich im Abwesendheit zu erreichen. Ich rufe trotz später Stunde zurück, lasse eine Nachricht – und 10 Minuten später werde ich vom Pressemensch im Statistischen Bundesamt in Wiesbaden angerufen.
Wir haben uns angeregt über die Volkszählung unterhalten, die Argumente artig ausgetauscht. Man versichert mir, es seien keine Daten von der 1987er Volkszählung geleckt worden. Naja, das Internet im Jahr 1987 war noch klein und niedlich. Heute ist das anders, und ein kleiner Fehler reicht, und schon stehen unangenehme Dokumente bei Wikileaks oder in der BILD. Wir sind übereingekommen, dass wir unterschiedlicher Meinung sind.
Nun erzähle ich die Geschichte vielen Leuten, die erstaunt sind, dass es einen Zensus gibt. Und sie fragen: Was soll ich jetzt tun? Ich weiß es nicht. Haben unsere LeserInnen Ideen?
D. Weber-Wulff
Hallo Frau Weber-Wulff.
Ich finde ihre Seite sehr interessant! Ethik als Thema ist ja nicht gerade der Standard irgendwo!
Aber zum Volkszählungsproblem: ich habe mich gefragt, ob es nicht möglich wäre eine Art Boykott zu machen, indem man absichtlich völlig falsche Daten angibt (nicht in riesigem Stil, aber schon in größerem maß) und eben das dann medial/mit dem Internet auch bekannt gibt. So würde man die Hochrechnung der Daten auf jeden Fall stark verfälschen und unbrauchbar machen. Wenn viele falsche Daten angeben, dann können die ohnehin nicht mehr benutzt werden, weswegen es dann (aber erst dann!) egal wäre, das man falsche Daten angegeben hat.
Könnte man sowas technisch umsetzen?
Und gibt es eigentlich schon eine Verfassungsklage gegen die Volkszählung?
Grüße
T. Freund
Das finde ich recht ineffektiv, weil erstens sie die Daten auf konsistenz prüfen – teilweise mit einem Abgleich zum in Register geführte Daten. Zweitens ist das nicht die ehrliche Art – wir sollen klar sagen, dass wir so was nicht wollen!
Es gab schon eine Verfassungsklage, sie wurde leider gar nicht zugelassen. Der Verfassungsbeschwerde wurde am 16.7.2010 in Karlsruhe eingereicht. Er wurde per Mitteilung vom 21.9.2010 vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Eine inhaltiche Bewertung der vorgebrachten Bedenken fand nicht statt.
Alles rund um der Zensus 2011 gibt es unter http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Volksz%C3%A4hlung
irgendwie sind wir heute wieder im 3. Reich
angelegt , denn Rechte hat man keine mehr
nur noch Pflichten und ich möchte mich nicht mit Fremden Personen an meiner Wohnung Tür unterhalten alleine schon über die Art und weise wie man es versucht , ich habe mich schon mit etwas ein gedeckt und werde im Streitfall davon Gebrauch machen wenn es zum Hausfriedensbruch kommt .
im Internet heißt es überall man muß,
aber wie kann das angehen wenn ich nicht ein mal das Recht habe Wählen zu gehen , was ist denn das für eine Demokratie Auffassung heute 2011?
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