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Bericht: gewissensbits@Turing-Bus

Die Gesellschaft für Informatik und die Open Knowledge Foundation Deutschland fahren im Rahmen des Wissenschaftsjahrs 2018 mit dem mobilen Bildungsprojekt Turing-Bus in die ländlichen Gebiete der Republik. Beim offiziellen Tourstart am 22. Mai wurden mehrere Workshops angeboten, darunter ein gewissensbits-Workshop. Aus dem Ankündigungstext:

Wir haben das Diskutieren verlernt, es geht nur noch darum, laut und im Recht zu sein. Dabei ist es gar nicht so leicht, zu wissen, ob man im Recht ist. Und selbst wenn du glaubst, dies zu wissen, kannst du manchmal durch den Einsatz von Technik in eine Situation kommen, in der du gar nicht richtig handeln kannst. Anhand von Videos und Texten solcher Situationen wollen wir über Ethik und die Rolle der Technik für unser Zusammenleben diskutieren.

Jugendliche im Rijksmuseum Amsterdam

Jugendliche im Rijksmuseum Amsterdam. Original-Photo (c) 2014 Gijsbert van der Wal.

Vierzehn Schülerinnen und Schüler diskutierten bei schönstem Sonnenschein draußen über drängende Probleme des allzu sorglosen Umgangs mit informationstechnischen Systemen. Zunächst wurde über die Rolle der digitalen Medien diskutiert, illustriert wurde dies mit einem Bild einer Gruppe Jugendlicher, die im Rijksmuseum Amsterdam über ihre Smartphones gebeugt vor einem Gemälde saßen. Die im letzten Jahrtausend Geborenen interpretieren dieses Bild stets als anschauliches Beispiel für den Sittenverfall der Jugend, die Rembrandt ignorieren und lieber im Web surfen. Die digital natives im Workshop hingegen wussten genau, was dort zu sehen war: Die Gruppe informierte sich umfassend dank Museums-App über die soeben gesehenen Gemälde.

Dieses Beispiel zeigt, wie einfach sich falsche Nachrichten verbreiten, wenn die Geschichte mit den eigenen Vorurteilen übereinstimmt und die Aufregung über das Gelesene groß genug ist. Im Workshop lernten wir aber auch, wie einfach man diese Fake News nun entlarven kann. Den Leserinnen und Lesern der Yellow Press der letzten Jahre des 19. Jahrhunderts war nicht klar, dass sich die Betreiber der größten Boulevard-Zeitungen auf Kosten der Wahrheit einfach Geschichten ausdachten. Kleine, harmlose, aber auch große mit fatalen Folgen. Mit Hilfe der digitalen Medien ist die Recherche nun sehr viel zugänglicher, es gibt immer mehr freie Korpora für Dokumente und Photos, außerdem neue Werkzeuge, etwa die Bildersuche anhand von Bildern (anstelle eines Suchbegriffs).

Abschließend diskutierten wir über den Dauerbrenner der maschinellen Entscheidung. Wenn du einem selbstfahrendes Auto programmieren würdest, welche Regeln wären das? Das Lernen anhand von bisherigen Praktiken wurde von den Schülerinnen und Schülern sehr kritisch gesehen, da sich menschliche Vorurteile dann verfestigen würden. Als Beispiel wurden Wohnort, Hautfarbe und Geschlecht angeführt. Die Maschine würde dann aufgrund von arbiträren Merkmalen eine »Entscheidung« treffen, was mit der Menschenwürde und dem Diskriminierungsverbot nicht vereinbar ist.

Die Schülerinnen und Schüler waren sehr viel kritischer und reflektierter als es medial immer dargestellt wird. Sie diskutierten ganz sachlich und thematisch präzise, waren aber sichtlich desillusioniert. So begeisterten sie sich für bestimmte Dinge, wollen diese aber nicht im Studium verfolgen, weil sie sich von einer anderen Studienwahl bessere Berufschancen versprechen. So thematisierten wir abschließend auch noch das Motto des Wissenschaftsjahrs »Arbeitswelten der Zukunft«, freilich mit einem ermunternden Ausblick: Ihr habt es selbst in der Hand, diese Zukunft zu gestalten. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie die GI helfen euch gern dabei.

Update: Inzwischen ist auch die offizielle Pressemitteilung veröffentlicht.

Dazu Prof. Dr. Hannes Federrath, Präsident der Gesellschaft für Informatik e.V.: „Als Gesellschaft für Informatik e.V. wollen wir junge Menschen dazu ermutigen, sich konstruktiv und kritisch mit der sich wandelnden, digitalen Arbeitswelt auseinander zu setzen. Ein grundlegendes Verständnis der Informatik ist dafür ein entscheidender Faktor. Mit dem Turing-Bus wollen wir Schülerinnen und Schüler für dieses spannende Fach begeistern.“
https://gi.de/meldung/gewissensbits-senseboxen-digitale-flugblaetter-und-haustiere-auf-tour/

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